Heiri Meier kam am 31. März 1901 im luzernischen Udligenswil, unweit von Küssnacht am Rigi zur Welt. Er zählt zum Kreis der Musiker um Stocker Sepp und spielte als solcher eine wichtige Rolle in der Blütezeit der neueren Ländlermusik während der zwanziger und dreissiger Jahre. Sein Vater, ein Wagnermeister und Schwyzerörgeler, hatte ihm die Liebe zur Musik vererbt. Als ältester einer Familie von vier Kindern früh Vollwaise geworden – die Mutter verstarb in seinem siebten Lebensjahr, der Vater sechs Jahre später –, kam er als Verdingbub unter erträglichen Bedingungen zu einem Landwirt in Kost. Mit 14 Jahren zog er von Udligenswil weg und trat bei seinem Onkel in Affoltem am Albis in die Lehre als Schneider. Sein Lehrmeister und dessen vier Söhne, also seine Vettern, die alle im väterlichen Betrieb arbeiteten und nebenher zu musizieren pflegten, erkannten schnell das künstlerische Talent ihres Schützlings. Von seinem Prinzipal erhielt er denn auch die erste Klarinette und durfte auf dessen Kosten fünf Unterrichtsstunden besuchen, womit es allerdings sein Bewenden hatte. Um so eifriger bildete er sich allein weiter, und bald war er imstande, sich mit seinen Vettern in einer 4-Mann-Kapelle, bestehend aus zwei Klarinetten, Klavier und Bassgeige, zusammenzuschliessen. Da ausser den deutschen «Tonblumen»–, «Bismärkler»– und «Sylvedel»Alben kein geeignetes Notenmaterial für Ländlerkapellen verfügbar war, machte er aus der Not eine Tugend und begann 1917 eigene Melodien aufzuschreiben. Sein Wirken als einer der bedeutendsten Ländlerkomponisten folgte somit anfänglich eher einem praktischen denn einem inneren Bedürfnis.
Heiri’s Wanderjahre…
Nachdem er seine Berufslehre beendet und eine Zeitlang in Interlaken als Schneider gearbeitet hatte, fand er 1920 in Zürich u.a. zu Stocker Sepp, Sepp Müller und Roman Stadelmann, mit denen er zusammen musizierte. Einen weiteren Schritt zur Meisterschaft als Klarinettist bedeutete seine Mitwirkung in der Stadtmusik «Eintracht» unter der Leitung von Max Böhm. Infolge der Wirtschaftskrise Mitte der zwanziger Jahre verlor er den Arbeitsplatz in seinem angestammten Beruf und musste sich zwangsweise mit Hilfsarbeiten in einer Fabrik für Zentralheizungen zufriedengeben, die er u.a. auch in Bern auszuführen hatte. Hier fand er Zugang zur «Genferstube», Bern’s führendem Ländlermusiklokal, schloss sich dem Akkordeonisten Gottfried Stucki an und spielte an dessen Seite in diesem Betrieb zunächst nebenher, dann hauptberuflich zusammen mit den Gebrüdern Drollinger und deren Kapelle «Edelweiss». Mit dieser Formation weilte er zwei Jahre lang auf Konzerttournee im Inland sowie in Berlin zu Aufnahmen für seine ersten Schallplatten. Einen Neubeginn bedeutete 1924 seine Übersiedlung für zwei Jahrzehnte an den Thunersee, wo er, wieder als Schneider beschäftigt, zuerst in Sundlauenen und später in Gunten lebte. Im Zuge der hier vorgenommenen Gründung der Kapelle «Fidelio» führte er als erster das Sopran-Saxophon in die Ländlermusik ein, das im Grunde die Trompete ersetzen sollte und womit er besonders in Zürich als regelmässiger Gast innerhalb Stocker Sepp’s Ländlerkapelle grosses Interesse erweckte. Diese grundlegende Neuerung machte bei einer Vielzahl von Ländlerklarinettisten rasche Schule und erfasste auch das Spielgut, das sich nach den Gesetzmässigkeiten des Saxophons auszurichten begann und schon bald aus dem Jazz hervorgegangene Tanzarten wie Foxtrott und Slow-Fox miteinbezog. Heiri Meier ist dadurch zum wohl bedeutendsten Neuerer der Schweizer Volkstanzmusik geworden, wenn auch das Saxophon als Ländlerinstrument noch immer nicht über alle Zweifel erhaben ist und oftmals auf Ablehnung stösst. Setzte sich die Kapelle «Fidelio» anfangs aus Klarinette, zwei Handorgeln und Bassgeige zusammen, so erfuhr sie im späteren Verlauf durch Zuzug von Trompete und Posaune eine Erweiterung auf sechs Mann. Meier schrieb für sie sowohl die geeigneten Stücke als auch die Stimmen für die einzelnen Instrumente und entwickelte in dieser Phase eine fruchtbare Tätigkeit als Komponist. Die Auftritte mehrten sich nun: einerseits zusammen mit der eigenen Kapelle «Fidelio» in allen Teilen der Deutschschweiz sowie bei Konzerten in Paris und Berlin, anderseits als Stütze der Stocker-Sepp-Kapelle an der Landesausstellung 1939 in Zürich, bei Gastspielen in London, Florenz und Paris etc.
… zum Eigenheim in Siebnen
Nach seiner Verehelichung 1940 mit der bishin bei Ruedi Burkhalter, Akkordeon, beschäftigten Jodlerin und Bassistin Käthy Riederer zog er 1942 nach Oberrieden am Zürichsee um, wo er gemeinsam mit seiner Gattin sowie Sepp Baumgartner, Handorgel, wieder eine Kapelle bildete und neuerdings als Schneider arbeitete. 1951 bezog Heiri Meier mit seiner Familie ein Eigenheim in Siebnen, widmete sich jetzt völlig der Herausgabe seiner Tänze im Selbstverlag, ferner dem Verkauf und Reparieren von Blasinstrumenten sowie dem Musizieren innerhalb seiner Familienkapelle, zu der, neben dem Akkordeonisten Karl Rusconi u.a. auch Tochter Käthy und Sohn Heiri gehörten. Vielfach wurde er auch weitherum als Kampfrichter für Wettspiele beigezogen. Seine nahezu sechzigjährige Musikerlaufbahn, die er an seinem fünfundsiebzigsten Geburtstag abschloss, ist nicht weniger beachtenswert als das umfangreiche kompositorische Schaffen. Dasselbe zählt über fünfhundert Tänze, worunter sich eine Vielzahl durch Originalität und Unverwüstlichkeit auszeichnet, so etwa «Zur Abfahrt bereit», «Klänge vom Pilatus», «Sternenklar», «Männertreu» usw., teils in den dreissiger Jahren von Stocker Sepp, teils später von ihm selbst verlegt.
Im Jahr 1985, im Alter von 84 Jahren, hat er seine Seele dem Schöpfer zurückgegeben. Mit dem Tode von Heiri Meier verlor die schweizerische Volksmusik einen ihrer bedeutendsten Förderer und Kenner. Allen die ihn näher gekannt haben, wird er wegen seiner Herzenswärme, Bescheidenheit und Freundlichkeit in unvergesslicher Erinnerung bleiben.